Das 3. Digitalisierungsgesetz im Gesundheitswesen ist in Kraft getreten

Digitalisierungsgesetz

Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG)

Wer der Meinung ist, der Titel des dritten Digitalisierungsgesetzes sei schon lang, der wird wenig überrascht sein, dass der Gesetzesbeschluss 78(!) Seiten umfasst. Wie fast jedes Gesetz ruft auch dieses Kritiker aus allen Lagern hervor:
Der 124. Deutsche Ärztetag führt mangelnde Einbeziehung von Patient:innen und Leistungserbringern an und kritisiert die zentrale Online-Speicherung von Daten. Anderer Meinung ist Bitkom-Präsident Achim Berg, dem das Gesetz nicht weit genug geht. Er fordert einen „digitalen Neustart“ und nicht nur ein weiteres Update.

Das Gesetz beinhaltet zahlreiche Themen von der Weiterentwicklung des Gesundheitsportals, dem Ausbau eines Interoperabilitätsverzeichnisses und einer Koordinationsstelle für Interoperabilität bis hin zu den Regelungen des Datenschutzes. So soll beispielsweise die Befreiung der Leistungserbringer von der Datenschutzfolgeabschätzung in Bezug auf die Telematikinfrastruktur jährlich dreistellige Millionenbeträge einsparen.

Wir versuchen an dieser Stelle die Neuerungen zu sortieren und etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Vor allem wollen wir klären, was das neue Gesetz ganz konkret für die Patient:innen und die Leistungserbringer bedeutet. Hierzu unterteilen wir die Neuerungen in vier Gruppen:
(Quellen: Bundesgesundheitsministerium; Ärztezeitung)

DiPA & DiGA

  • Erweiterung der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) um digitale Pflegeanwendungen (DiPA):
    Diese sollen dazu dienen, pflegebedürftigen Personen Anwendungen an die Hand zu geben, mit denen sie ihren Gesundheitszustand durch Übungen stabilisieren bzw. verbessern können (z. B. Sturzrisikoprävention, personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz, u. ä.). Außerdem soll dadurch die Kommunikation mit Angehörigen und Pflegekräften verbessert werden.
  • Erweiterung der DiGAs um eine Schnittstelle zur elektronischen Patientenakte (ePa):
    Dies soll eine barrierefreie Übermittlung der erfassten Daten in die ePa ermöglichen.
  • Vergütung der Leistungen von Heilmittelerbringern und Hebammen im Zusammenhang mit DiGAs:
    Ergänzung neuer Berufsgruppen bei der Vergütung digitaler Anwendungen

eRezept & ePa

  • Pflegedienste und Heilmittelbringer werden verpflichtend an die TI angebunden:
    Aus der freiwilligen Möglichkeit der Anbindung an die TI wird eine Verpflichtung. So soll die flächendeckende Verbreitung der TI-Angebote sichergestellt werden.
  • Erweiterung der elektronischen Verordnungen um Heil- und Hilfsmittel, Betäubungsmittel, Soziotherapie, u. v. m.:
    So können auch weitere Berufsgruppen elektronisch verordnen.
  • Vollständig digitale Verordnung von DiGAs
  • Einbindung der Rezepte und Verordnungen in die ePa:
    Barrierefreie Übermittlung der Rezept- und Verordnungsdaten an die elektronische Patientenakte
  • Personenbezogener Rezeptabruf mit Identitätsnachweis in der Apotheke:
    Keine Zuordnung der Rezepte über eine App, sondern der direkte Abruf über die TI mit entsprechender Authentifizierung
  • Erweiterte Dokumentationsmöglichkeiten wichtiger Daten zur Schwanger- und Mutterschaft in der ePa:
    Zusätzliche Möglichkeiten zur Dokumentationen für Hebammen über die reinen Mutterpass-Informationen hinaus.

Telemedizin

  • Erweiterung der Terminvergabe um Videosprechstundentermine:
    Zukünftig können nicht nur vor-Ort-Termine zentral online gebucht werden.
  • Angebot von telemedizinischen Leistungen durch den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst:
    Auch der kassenärztliche Bereitschaftsdienst soll zukünftig telemedizinische Dienste wie eine Videosprechstunde anbieten.
  • Beauftragung des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zur Schaffung einer Möglichkeit zur Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei ausschließlicher Fernbehandlung:
    Die Berufsordnung der Ärzteschaft ist in Bezug auf Fernbehandlungen streng gefasst. Daher sind bisher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als Resultat ausschließlicher Fernbehandlungen nur per Sonderverordnung möglich. Dieser Umstand soll geändert werden.
  • Physiotherapeutische Akutbehandlung in Form von Videosprechstunden (und weitere telemedizinische Leistungen durch Heilmittelerbringer und Hebammen):
    Genau wie andere Leistungserbringer soll es auch Physiotherapeuten und anderen Berufsgruppen ermöglicht werden ihre Leistungen per Videosprechstunde anzubieten, immer sofern dies zielführend umsetzbar ist.
  • Die Selbstverwaltung erhält mehr Handlungsspielraum bei telemedizinischen Angeboten in Pandemiezeiten. Im Gegenzug müssen technische Vorgaben stetig an die Kommunikationsgewohnheiten der Versicherten angepasst werden (z. B. Apps).

Telematikinfrastruktur

  • Digitale Identität zur sicheren Authentifizierung. Später wird diese auch als Versicherungsnachweis gelten:
    Jede:r Versicherte soll eine sichere digitale Identität erhalten, die zukünftig auch als Versicherungsnachweis dienen soll.
  • Kontaktlos einlesbare eGK:
    Bekannt von den EC-Karten soll auch die eGK zukünftig kontaktlos funktionieren.
  • eGK ausschließlich als Versicherungsnachweis und nicht mehr als Datenspeicher:
    Die Datenhaltung soll in Onlinespeicher der TI verlagert werden und nicht mehr auf der eGK erfolgen. In diesem Zuge wird die Erfassung der Notfalldaten in eine elektronische Kurzakte überführt. Außerdem wird der elektronische Medikationsplan (EMP) zu einer eigenen TI-Anwendung weiterentwickelt.
  • Erklärung zur Organ- und Gewebespendebereitschaft über eine App der Krankenkasse:
    Dadurch lassen sich Informationen über die Bereitschaft von möglichen Spendern zentral bereitstellen. 
  • Aufruf der ePa auch über stationäre Endgeräte:
    Bisher lässt sich die ePa ausschließlich über Smartphones und Tablets aufrufen. Zukünftig soll auch der heimische Computer den Zugang gewähren.
  • Beauftragung der gematik zur Bereitstellung eines „Zukunftskonnektors“:
    Die Anbindung an die TI soll zukunftsorientiert weiterentwickelt werden. Bestenfalls erfolgt der Zugang dann über einen Dienst ohne den Bedarf von dedizierter Hardware.
  • Möglichkeit zum Teilen der Gesundheitsdaten mit Ärztinnen und Ärzten des EU-Auslands:
    Zur Erhöhung der Patientensicherheit soll auch im EU-Ausland die Möglichkeit bestehen, die Daten mit den Behandelnden teilen zu können.

Fristen

  • ab Januar 2022
    – Barrierefreier Zugriff auf das eRezept und die ePa (auch von stationären Computern) sowie erweiterter Datenschutz für DiPAs.

  • ab 01. Juli 2022
    – Bereitstellung einer App für die Erklärung zur Organ- und Gewebespende

  • ab Januar 2023
    – Sicherstellung des Zugangs zur Telematikinfrastruktur durch einen „Zukunftskonnektor oder Zukunftskonnektordienst“
    – Teilen der Gesundheitsdaten im EU-Ausland

  • ab Januar 2023
    – Bereitstellung einer sicheren digitalen Identität zur Authentifizierung (neben der eGK) / ab Januar 2024 soll die digitale Identität auch als Versicherungsnachweis gelten